EU-Abfallrahmenrichtlinie

Europäische Institutionen einigen sich auf neuen Richtlinientext

Der BDE fordert klare Regeln zur erweiterten Herstellerverantwortung, um die Kreislaufwirtschaft im Textilsektor zügig voranzubringen.

 


Hintergrund
Die partielle Revision der Abfallrahmenrichtlinie zielt darauf ab, das lineare Wirtschaften im Textilsektor durch verbindliche Kreislaufvorgaben zu durchbrechen. Mit jährlich 5,8 Millionen Tonnen Textilabfällen allein in der EU steht die Reform vor der Herausforderung, Design-, Sammel- und Verwertungsprozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu synchronisieren. Ein zentrales Instrument bildet die erweiterte Herstellerverantwortung, die Produzenten verpflichtet, die Kosten für Sammlung, Sortierung und Recycling ihrer Artikel zu tragen.

Die Europäische Kommission legte ihren Revisionsvorschlag bereits im Juli 2023 vor, aber aufgrund der Europawahlen in 2024 verzögerten sich die Trilogverhandlungen zwischen den EU-Institutionen und man kam erst am 19. Februar 2025 zu einer vorläufigen Einigung. Der vollständige Richtlinientext liegt derzeit noch nicht vor.

Wesentlicher Inhalt
Die partielle Revision der EU-Abfallrahmenrichtlinie verfolgt das übergeordnete Ziel, Abfälle zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Ein zentraler Schwerpunkt liegt auf der Verringerung von Lebensmittel- und Textilabfällen durch neue Regelungen, insbesondere auch zur erweiterten Herstellerverantwortung.

Für Lebensmittel sieht die Reform verbindliche Reduktionsziele vor, während im Textilsektor Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility – EPR) eingeführt werden sollen, um die Sammlung, Sortierung und Wiederverwertung zu verbessern. Neu im Vergleich zu EPR-Regelungen für andere Stoffströme in anderen Rechtsakten (z.B. Verpackungsverordnung, Elektro- und Elektronikaltgeräte-Richtlinie, Batterieverordnung) ist die verpflichtende Beteiligung der Hersteller und Inverkehrbringer von Textilien an Organisationen zur Wahrnehmung der erweiterten Herstellerverantwortung (Producer responsibility organisations – PRO). Zudem werden Maßnahmen angestrebt, um besonders ressourcenintensive Geschäftsmodelle wie Fast Fashion stärker in die Verantwortung zu nehmen. Für ausführliche Ausführungen zum Kommissionsvorschlag (siehe Europaspiegel Oktober 2023).

Aktuelle Entwicklungen
Am 19. Februar 2025 erzielten der Rat der Europäischen Union, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission in den sogenannten Trilogverhandlungen eine vorläufige Einigung zur Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie – der finale Richtlinientext ist jedoch noch nicht veröffentlicht. Informationen zu Folge wurden folgende Regelungen getroffen:

Lebensmittelabfälle
Die Vereinbarung sieht verbindliche Reduktionsziele für Lebensmittelabfälle vor, die bis zum 31. Dezember 2030 erreicht werden sollen:

  • eine 10%ige Reduktion in der Lebensmittelverarbeitung und -herstellung;
  • eine 30%ige Reduktion pro Kopf im Einzelhandel, in Restaurants, im Lebensmitteldienstleistungssektor sowie in privaten Haushalten.

Diese Ziele basieren auf dem durchschnittlichen jährlichen Abfallaufkommen der Jahre 2021 bis 2023. Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die relevanten Akteuren die Spende unverkaufter, aber noch verzehrfähiger Lebensmittel erleichtern.

Darüber hinaus sollen die Rolle der Primärproduktion bei Lebensmittelabfällen, die Auswirkungen veränderter Produktionsmengen sowie mögliche aktualisierte Reduktionsziele für Lebensmittelabfälle bis 2030 und 2035 untersucht werden – diese Ergebnisse sollen bis 2027 vorliegen.

Textilabfälle
Die Reform führt erweiterte Herstellerverantwortungssysteme für Textilien ein. Demnach tragen Hersteller künftig die Kosten für Sammlung, Sortierung und Recycling von Textilabfällen. Diese Regelung muss 30 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie im nationalen Recht umgesetzt werden und gilt für alle Hersteller – auch für solche, die E-Commerce-Plattformen nutzen –, unabhängig davon, ob sie innerhalb oder außerhalb der EU ansässig sind. Kleinstunternehmen, d.h. Unternehmen mit maximal 10 Mitarbeitern und 2 Millionen EUR Jahresumsatz, wurden nach intensiven Verhandlungen zwischen Rat und Parlament in den Anwendungsbereich einbezogen, erhalten aber eine zusätzliche Umsetzungsfrist von 12 Monaten. Zudem sind Wiederverwendungsunternehmen, d.h. Unternehmen im Second-Handbereich, zunächst von EPR-Pflichten befreit – die Mitgliedstaaten können jedoch eine Einbeziehung dieser Unternehmen in die EPR-Pflichten vorsehen.

Von der überarbeiteten Richtlinie betroffen sind unter anderem folgende Produktgruppen: Kleidung, Accessoires, Schuhe, Decken, Bett- und Küchenwäsche, Vorhänge sowie Hüte. Den Mitgliedstaaten wurde zudem die Möglichkeit eingeräumt, auch für Matratzenhersteller eigene EPR-Systeme einzuführen. Weiterhin sollen Maßnahmen gegen die Fast-Fashion-Geschäftsmodelle ergriffen werden, indem deren finanzielle Beiträge zu den EPR-Systemen entsprechend ausgestaltet werden – hierfür werden auf EU-Ebene in folgenden Rechtsakten Rahmenbedingungen für die Gebühren festgelegt werden.

Im Hinblick auf die nationale Umsetzung der erweiterten Herstellerverantwortung wurde vereinbart, dass die Mitgliedstaaten in der Ausgestaltung der Systeme Hersteller, PROs, Entsorger (öffentlich und privat), lokale Behörden, Wiederverwendungsunternehmen sowie Sozialunternehmen verpflichtend einbeziehen müssen – die konkrete Umsetzung bleibt dabei aber den einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten.

Sozialunternehmen
Die Definition von Sozialunternehmen wurde überarbeitet und an den Vorschlag des Rates angepasst. Demnach müssen Unternehmen durch folgende Aspekte geprägt sein, um als Sozialunternehmen zu gelten:

  • Vorrang von Menschen sowie sozialem und ökologischem Zweck vor Gewinnorientierung;
  • Reinvestition aller oder des überwiegenden Teils der Gewinne und Überschüsse zur weiteren Verfolgung ihrer sozialen oder ökologischen Ziele sowie zur Förderung von Aktivitäten im Interesse ihrer Mitglieder, Nutzer oder der Gesellschaft insgesamt;
  • Demokratische bzw. partizipative Unternehmensführung.

Zukünftig werden Sozialunternehmen zudem zu vereinfachten Berichtspflichten verpflichtet sein, sodass nicht ausschließlich die Organisationen der erweiterten Herstellerverantwortung verpflichtet sind, die getrennte Sammlung, Wiederverwendungs- und Recyclingquoten an die zuständigen Behörden zu melden.

Zielvorgaben
In den Trilogverhandlungen wurde beschlossen, vorerst keine konkreten Zielvorgaben für Getrenntsammlung, Wiederverwendung und Recycling festzulegen. Stattdessen wurde eine Überprüfung der Funktionalität der EPR-Maßnahmen angeordnet. Hierzu erhielt die Kommission die Befugnis, die Finanzierungsmodalitäten der Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung sowie mögliche Zielvorgaben für Textilabfälle bis 2029 zu bestimmen.

Bewertung
Die vorläufige Einigung zur Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie enthält aus Sicht der privaten Entsorgungswirtschaft einige positive Ansätze, weist aber auch kritische Punkte auf.

Lebensmittelabfälle
Der BDE unterstützt die Einführung verbindlicher Reduktionsziele für Lebensmittelabfälle, da die Vermeidung von Abfällen gemäß der Abfallhierarchie Vorrang vor Recycling und Verwertung hat. Dennoch bleiben zentrale Aspekte unklar, insbesondere da einige Details erst durch nachfolgende delegierte Rechtsakte konkretisiert werden sollen. Das betrifft beispielsweise die fehlende Differenzierung zwischen Lebensmittelverschwendung und nicht vermeidbaren Lebensmittelabfällen. Diese Unterscheidung ist jedoch entscheidend für das Erreichen der Reduktionsziele – insbesondere im Fall der geplanten 10%igen Reduktion in der Lebensmittelverarbeitung und -herstellung sowie der 30%igen Reduktion pro Kopf im Einzelhandel, der Gastronomie und privaten Haushalten bis 2030. Zudem müssen Maßnahmen zur Förderung der Spende unverkaufter, aber verzehrfähiger Lebensmittel praxisnah und wirksam ausgestaltet werden. Lebensmittelproduzenten und -händler sollten durch Spenden nicht ihre Entsorgungspflicht für nicht mehr verzehrfähige Lebensmittel umgehen dürfen. Ebenso zielführend wären strengere Vorgaben zur Reduktion von Lebensmittelabfällen in gemischten Siedlungsabfällen gewesen, die das Recycling dieser Abfallströme erleichtern würden.

Textilabfälle
Positiv zu bewerten ist der Einbezug von Kleinstunternehmen in die erweiterte Herstellerverantwortung, denn sie haben einen erheblichen Anteil am Textilmarkt. Dass diesen Unternehmen eine zusätzliche Umsetzungsfrist von 12 Monaten gewährt wurde, ermöglicht eine notwendige Anpassungszeit, ohne ihnen langfristige Sonderrechte einzuräumen. Dies verhindert Wettbewerbsverzerrungen und sorgt für einheitliche Regelungen im Markt. Ebenfalls begrüßenswert ist die Entscheidung, Wiederverwendungsunternehmen vorerst von EPR-Gebühren auszunehmen. Dies stärkt die Wiederverwendung und setzt Anreize für eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft. Allerdings bleibt abzuwarten, inwieweit die Mitgliedstaaten diese Unternehmen künftig doch noch in die EPR-Pflichten einbeziehen.

Kritisch zu sehen ist die Bevorzugung von Sozialunternehmen, denen Sonderrechte eingeräumt wurden. Zwar wurden sie an vereinfachte Berichtspflichten gebunden, doch es fehlen vergleichbare Anforderungen, die für andere Akteure gelten. Dies könnte zu Wettbewerbsverzerrungen führen und Unternehmen begünstigen, die sich nur formal als Sozialunternehmen deklarieren, ohne tatsächlich einen nachhaltigen Mehrwert zu bieten. Die überarbeitete Definition von Sozialunternehmen stellt zwar eine Verbesserung dar, da sie stärker auf die soziale und ökologische Zielsetzung fokussiert ist, doch es muss sichergestellt werden, dass Trittbrettfahrerei verhindert wird.

Positiv ist, dass die Umsetzung der EPR-Systeme in nationaler Hand bleibt. Dies ermöglicht es den Mitgliedstaaten, bürokratiearme und wettbewerbsfähige Systeme zu gestalten, die den jeweiligen Marktbedingungen gerecht werden. Entscheidend ist nun allerdings, dass die nationalen Systeme so ausgestaltet werden, dass sie einen fairen Wettbewerb ermöglichen, die Entsorgungskosten vollumfänglich decken und keine ungerechtfertigten Vorteile für einzelne Marktteilnehmer schaffen.

Ebenfalls positiv zu bewerten ist, dass es keine verpflichtende Priorisierung räumlicher Nähe bei der Abfallbehandlung geben wird. Dies verhindert Einschränkungen im Wettbewerb und ermöglicht es, Abfälle dort zu verwerten, wo es wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist. Eine verpflichtende Vorgabe hätte keine garantierten Umweltvorteile gebracht, sondern hätte vielmehr die freie Wahl der effizientesten Behandlungswege eingeschränkt.

 

Zeitplan
• Vorläufige Trilogeinigung: wurde am 19. Februar 2025 getroffen
• Offizielle Annahme durch das Parlament und den Rat: noch in Q1/2 2025
• Inkrafttreten: 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt
• Umsetzungsfrist: 30 beziehungsweise 42 Monate nach der Veröffentlichung im Amtsblatt

   

Download BDE/VOEB Europaspiegel Februar 2025

Marlena Mazura

Europareferentin für Abfall-, Umwelt- und Energiepolitik