Revision der EU-Altfahrzeugverordnung

Ausschüsse ENVI und IMCO präsentieren Berichtsentwurf

Mit Beginn der neuen Legislatur-periode wurde der Binnenmarktausschuss IMCO als weiterer federführender Ausschuss neben dem bisher allein federführend für den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Altfahrzeugverordnung verantwortlichen Umweltausschuss ENVI benannt. Aufgrund dieser geteilten Zuständigkeit hatte sich die Veröffentlichung des Berichtsentwurfes weiter verzögert. Schließlich wurde der Bericht Anfang Februar präsentiert. Er spiegelt in vielen Punkten die Interessen der Automobilindustrie wider.  Die Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen endete am 19. Februar. BDE und FEAD hatten bereits frühzeitig Änderungsanträge verschickt.

 


Hintergrund
Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Verordnung über die Kreislauffähigkeitsanforderungen an das Fahrzeugdesign und die Entsorgung von Altfahrzeugen verfolgt das Ziel, die Kreislaufführung von Altfahrzeugen zu verbessern. Mit der Stärkung der Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor soll insbesondere auch der Zugang zu kritischen Rohstoffen für die Europäische Wirtschaft verbessert werden, um zu den Umwelt- und Klimazielen der EU beizutragen. Zu diesem Zweck sollen durch die Verordnung unmittelbar der Binnenmarkt für Altfahrzeuge, der Überblick über in der EU befindliche Altfahrzeuge und deren Monitoring sowie die Verwertung von Altfahrzeugen in der EU insgesamt verbessert werden. Gleichzeitig sollen Fahrzeughersteller mittels verschärfter Regeln zur erweiterten Herstellerverantwortung stärker in die Pflicht genommen werden. Die Altfahrzeugverordnung wird die aktuell geltende Altfahrzeugrichtlinie ersetzen.

Inhalt des Berichtsentwurfes
Mindestrezyklateinsatzquoten für Kunstsoffe und Stahl
Der Berichtsentwurf sieht zunächst eine Senkung der Mindestrezyklateinsatzquote für Kunststoffe in Neufahrzeugen gemäß Art. 6 Abs. 1, Unterabsatz 2, von 25% im Verordnungsvorschlag auf 20% vor. Zusätzlich soll diese Quote nicht mehr – wie im Kommissionsvorschlag vorgesehen – auf Post-Verbraucher-Abfälle beschränkt werden. Biobasierte Kunststoffe sowie aus der Produktion stammende Abfälle (Post-Industrial-Abfälle oder Pre-Consumer-Abfälle) sollen in die Berechnung der Quote einbezogen werden.

Darüber hinaus enthält der Berichtsentwurf den Änderungsvorschlag, die Mindestrezyklateinsatzquote für Kunststoffe, die ihrerseits aus Altfahrzeugen stammen (Closed-Loop-Quote), von 6,25% auf 3% zu senken. Auch hier sollen Pre-Consumer-Abfälle einbezogen werden. In Bezug auf die Mindestrezyklateinsatzquote für Kunststoffe wird in dem Berichtsentwurf darüber hinaus gefordert, das chemische Recycling ebenfalls zu berücksichtigen.

Im Hinblick auf die von Herstellern vorzunehmende Erklärung über den Rezyklatanteil der Stoffe und Materialien in Neufahrzeugen wird im Berichtsentwurf vorgeschlagen – wie von BDE und FEAD gefordert – Kunststoffe aufzunehmen. Auch entspricht es einer Forderung der Verbände, in Bezug auf die Mindestrezyklateinsatzquote für Kunststoffe Elastomere auszuschließen, was ebenfalls Eingang in den Berichtsentwurf gefunden hat.

Des Weiteren sollen  bei den Quoten für den Mindestrezyklatanteil von Stahl in Neufahrzeugen (im Anschluss an eine Machbarkeitsstudie) neben recyceltem Stahl auch kohlenstoffarmer Stahl berücksichtigt werden. Eine Definition für kohlenstoffarmen Stahl sieht der Berichtsentwurf hingegen nicht vor.

An Organisationen der erweiterten Herstellerverantwortung zu zahlende Gebühren, um den Anteil der Materialien und Stoffe zu minimieren, die ein hochwertiges Recycling verhindern
Dem Berichtsentwurf zu Folge sollen die EPR-Gebühren keine Beiträge zur Deckung von Kosten im Zusammenhang mit der Verwendung von konkret benannten Materialien und Stoffen enthalten, die den Recyclingprozess behindern, wie Klebstoffe, Verbundkunststoffe oder kohlenstoffverstärkte Materialien. Diese im Kommissionsvorschlag aufgezählten Materialien sollen nach dem Berichtsentwurf gelöscht werden.

Liste obligatorisch zu entfernender Teile und Bauteile
In die Liste verpflichtend zu entfernender Teile und Bauteile wurden zunächst Kraftstoffbehälter aufgenommen. Dies war eine Forderung von BDE und FEAD. Gasbehälter hingegen wurden nicht aufgenommen. Im Hinblick auf diese verpflichtend zu entfernenden Teile und Bauteile sieht der Berichtsentwurf darüber hinaus vor, dass Teile und Komponenten aus Glas, wie Windschutzscheiben, Heck- und Seitenscheiben, von der Liste dieser verpflichtend zu entfernenden Teile und Bauteile gelöscht werden sollen.

Bewertung
Der BDE sieht den Berichtsentwurf zum Vorschlag für eine Altfahrzeugverordnung insgesamt kritisch. Er rückt die Interessen der Automobilindustrie zu sehr in den Fokus und vernachlässigt dabei das eigentliche Kernziel der Altfahrzeugverordnung, nämlich die Kreislaufführung von Altfahrzeugen zu verbessern und zu fördern.

Zunächst ist erfreulich, dass im Berichtsentwurf nicht eine Änderung der Definition für Altfahrzeuge vorgeschlagen wird, so wie sie in den letzten Kompromisstexten des Rates Ende letzten Jahres vorgeschlagen wurde. Bei einem Fahrzeug soll es sich weiterhin dann um ein Altfahrzeug handeln, wenn es sich um Abfall gemäß der Abfallrahmenrichtlinie handelt oder wenn das Fahrzeug irreparabel gemäß Anhang I zur Altfahrzeugverordnung ist. Demnach ähnelt der Berichtsentwurf hierbei sehr dem Kommissionsvorschlag. Anhang I regelt, wann das Fahrzeug als irreparabel gilt, also zum Beispiel, wenn das Fahrzeug in Einzelteile zerlegt wurde, wenn der Kfz-Innenraum vollständig zerstört wurde oder wenn das Fahrzeug bereits an eine zertifizierte Abfallbehandlungsanlage zur Behandlung abgegeben wurde. Dies ist sehr begrüßenswert. Insbesondere sollte die Abfalldefinition der Abfallrahmenrichtlinie nicht erweitert werden. Im Falle technischer Irreparabilität eines Fahrzeuges handelt es sich bei dem Fahrzeug keineswegs automatisch um Abfall, wie es einige Kompromisstexte des Rates noch gefordert hatten. Es ist positiv, dass sich der Berichtsentwurf diesbezüglich am Kommissionsvorschlag orientiert.

Jedoch sind die Änderungsvorschläge zur Absenkung der Mindestrezyklateinsatzquoten höchst problematisch und abzulehnen, da sie die Schaffung dringend notwendiger Anreize zur Verbesserung der Ressourceneffizienz und der Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor behindern. Dies gilt vor allem für die Absenkung der Mindestrezyklateinsatzquote für Kunststoffe auf 20%. Eine solche Quote wird die Nachfrage nach Rezyklaten verringern. Es ist jedoch gerade eine Steigerung der Nachfrage inotwendig, um Recyclingunternehmen die Absatzsicherheit zu garantieren, die erforderlich ist, um in das Recycling zu investieren und damit die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können.

Auch die Absenkung der Closed-Loop-Quote auf lediglich 3% ist abzulehnen. Die von der Kommission vorgeschlagene Quote in Höhe von 6,25% ist bereits niedrig und trägt der Machbarkeit und Praktikabilität Rechnung. Aus Altfahrzeugen zurückgewonnene Kunststoffe können aufgrund ihrer spezifischen technischen Eigenschaften nach dem Recycling weitestgehend auch nur in Fahrzeugen wieder verwendet werden. In Ermangelung anderer Verwendungsmöglichkeiten werden diese Kunststoffe derzeit noch überwiegend der thermischen Verwertung zugeführt, anstatt sie zu recyceln. Folglich fördert eine Closed-Loop-Quote von 6,25% die Kreislaufwirtschaft und berücksichtigt gleichzeitig die Interessen der Hersteller, indem sie bereits sehr niedrig ist.

Darüber hinaus ist es zwingend erforderlich, den Recycling-Input auf Post-Verbraucher-Abfälle zu beschränken: Die notwendigen Anreize für ein verstärktes Recycling können nur durch die obligatorische Verwendung von Post-Verbraucher-Rezyklaten geschaffen werden, da es andernfalls sehr einfach wäre, Mindestquoten für den rezyklierten Anteil durch die Verwendung von post-industriellem Material zu erreichen. Im Gegensatz zu Post-Consumer-Abfällen handelt es sich bei Post-Industrial-Abfällen (oder Pre-Consumer-Abfällen) um Materialströme, die direkt aus der Produktion stammen und somit aus fabrikneuem und ungemischtem Material, das in den meisten Fällen ohne großen Aufwand recycelt werden kann. Post-Verbraucher-Abfälle hingegen beziehen sich auf Materialströme, die aus der Nutzung durch den Verbraucher stammen und oft mit anderen Materialien vermischt sind.

Daher ist das Recycling solcher Abfälle in der Regel mit deutlich höherem Aufwand und höheren Kosten verbunden als das Recycling von post-industriellen Abfällen, allein schon wegen der Qualität des zu recycelnden Materials.  Die Einbeziehung von Pre-Consumer-Abfällen in die Erfüllung der Mindestrezyklateinsatzquoten schafft weder Anreize für eine Verbesserung der Abfallsammlung und -trennung noch für Innovationen beim Recycling – im Gegenteil. Nur die obligatorische Verwendung von Post-Verbraucher-Rezyklaten schafft die notwendigen Anreize für ein verstärktes Recycling, wie es in der Verordnung vorgesehen ist.

Zudem sollten auch biobasierte Kunststoffe nicht auf die Quoten für den Mindestrezyklatanteil angerechnet werden dürfen. Es darf zu keiner Kannibalisierung des Recyclings durch biobasierte Kunststoffe kommen; biobasierte Kunststoffe dürfen nicht auf Kosten des Recyclings gefördert werden. Die Anrechnung von biobasierten Kunststoffen hätte den gleichen Effekt wie die Anrechnung von Produktionsabfällen. Wenn biobasierte Kunststoffe gefördert werden sollen, sollte über separate Quoten für biobasierte Kunststoffe nachgedacht werden. Es müsste jedoch sichergestellt werden, dass biobasierte Kunststoffe das Recycling von Kunststoffen nicht beeinträchtigen. Sie müssten ihrerseits in den bestehenden Kunststoffrecyclinganlagen gut verwertet werden können oder, falls dies nicht möglich ist, mit den bestehenden Sortierverfahren leicht aussortiert werden können.

Bei der Festlegung einer Mindestrezyklateinsatzquote für Kunststoffe sollte zudem das chemische Recycling nicht berücksichtigt werden. Die Berechnung des Mindestrezyklatgehalts von Kunststofferzeugnissen aus chemischem Recycling erfordert die Wahl einer Massenbilanzmethode. Es gibt eine Reihe von Methoden, die zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen, da der Rezyklatausstoß je nach Berechnungsmethode stark variiert. Um der Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten des mechanischen Recyclings vorzubeugen, ist daher darauf zu achten, dass das aufwändige und weit weniger klimafreundliche chemische Recycling durch die gewählte Massenbilanzmethode nicht begünstigt wird. Solange die gewählte Massenbilanzmethode in der Verordnung nicht spezifiziert ist, muss daher die Einbeziehung des weitaus weniger klimafreundlichen chemischen Recyclings vermieden werden.

Im Hinblick auf eine etwaige Mindestrezyklateinsatzquote für Stahl in Neufahrzeugen ist begrüßenswert, dass diesbezüglich zunächst eine Studie durch die EU-Kommission durchzuführen ist, welche sich mit der generellen Möglichkeit der Einführung einer solchen Quoten insbesondere unter Berücksichtigung der Nachfragesituation befasst. Jedoch ist sehr problematisch, dass, im Anschluss an eine solche Studie, eine Mindestrezyklateinsatzquote neben recyceltem Stahl als Input auch kohlenstoffarmen Stahl berücksichtigen soll. Dies würde ebenfalls zu einer Verwässerung der bestehenden Quoten führen, keine Anreize für Investitionen in das Recycling schaffen und damit dem Kernziel der Förderung von Recycling und Kreislaufwirtschaft zuwiderlaufen. Darüber hinaus gibt es keine anerkannte Definition für kohlenstoffarmen Stahl und insbesondere enthält der Vorschlag für eine Altfahrzeugverordnung keine solche Definition. Daher würde die Einführung einer Quote, die kohlenstoffarmen Stahl berücksichtigt, solange keine Definition für kohlenstoffarmen Stahl existiert gegen den Grundsatz der Bestimmtheit verstoßen, den jede Rechtsvorschrift erfüllen muss.

Abzulehnen ist aus Sicht des BDE der Vorschlag des Berichtsentwurfs, die Verwendung von Klebstoffen, Verbundkunststoffen oder kohlenstoffverstärkten Materialien von den Gebühren, die von den Herstellern im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung zu tragen sind, auszunehmen. Eine solche Änderung würde der Förderung der Kreislaufwirtschaft zuwiderlaufen, da Klebstoffe, Verbundkunststoffe oder kohlenstoffverstärkte Materialien im Recyclingprozess sehr große Schwierigkeiten bereiten. Daher bedarf es gerade bei diesen Stoffen und Bauteilen besonderer Anreize für alternative Lösungen und die recyclinggerechte Gestaltung durch die Hersteller. Solche Anreize könnten durch entsprechende EPR-Gebühren geschaffen werden. Es ist widersprüchlich, einerseits zu regeln, dass die von den Herstellern an die PROs zu entrichtenden Beiträge unter Berücksichtigung des Anteils von Materialien und Stoffen, die ein hochwertiges Recyclingverfahren verhindern, moduliert werden, und andererseits Beispiele für solche Materialien zu streichen. Die Verwendung von Materialien und Stoffen, die den Recyclingprozess behindern, wie z. B. Klebstoffe, Verbundkunststoffe oder kohlenstoffverstärkte Materialien, müssen in jedem Falle durch die EPR-Gebühren gedeckt werden.

Ebenso ist der Änderungsvorschlag abzulehnen, der vorsieht, dass Teile und Komponenten aus Glas, wie Windschutzscheiben, Heck- und Seitenscheiben, von der Liste der obligatorisch zu entfernenden Teile und Bauteile gestrichen werden. Die obligatorische Entfernung von Glasbauteilen ist unerlässlich, um deren bestmögliches Recycling zu ermöglichen. Vielmehr hätten hier zusätzlich Glasdächer in die Liste aufgenommen werden müssen. Diese Bauteile und Komponenten aus Glas können jedoch nur zu 70% entnommen werden, da der spezifische Entnahmevorgang, der meist aus Sägen besteht, keine 100-%ige Entnahme ermöglicht. Schließlich sind Gasbehälter neben Kraftstoffbehältern zwingend in die Liste der obligatorisch zu entfernenden Teile und Bauteile aufzunehmen, um Explosionen in Schredderanlagen zu verhindern.

 

Zeitplan
Die von den Ausschussmitgliedern eingebrachten Änderungsanträge zum Kommissionsvorschlag werden in Kürze veröffentlicht werden. Die Abstimmungen in den Ausschüssen sowie im Plenum des Europäischen Parlaments sind für das zweite Quartal vorgesehen; genaue Daten stehen diesbezüglich noch nicht fest. Die Allgemeine Ausrichtung des Rates soll noch im März verabschiedet werden.

   

Download BDE/VOEB Europaspiegel Februar 2025

Michael Iordache

Legal Advisor, Europareferent - Wettbewerb, Binnenmarkt, Steuern und Abfallverbringung