Hintergrund
Im März 2023 legte die Europäische Kommission ihren Richtlinienvorschlag vor, der den Rechtsrahmen für die Begründung von Umweltaussagen (Green Claims) auf Produkten schaffen soll (siehe Europaspiegel Oktober 2023). Ziel ist es, Verbraucher vor irreführenden Angaben zu schützen und sicherzustellen, dass solche Aussagen wissenschaftlich fundiert und transparent sind. Der Vorschlag ist Teil der Bemühungen, den europäischen Binnenmarkt nachhaltiger zu gestalten und Greenwashing effektiv zu verhindern.
Das Europäische Parlament nahm im März 2024 seine Verhandlungsposition an, während der Rat der Europäischen Union seine Position im Juni 2024 festlegte. Aufgrund der Europawahlen im Juni 2024 wurden die Trilogverhandlungen auf das erste Halbjahr 2025 verschoben. Der Auftakt zu den Verhandlungen erfolgte schließlich am 28. Januar 2025 unter der polnischen Ratspräsidentschaft.
Wesentlicher Inhalt
Europäische Kommission
Die Europäische Kommission schlägt vor, dass Unternehmen nur dann Umweltaussagen für ihre Produkte verwenden dürfen, wenn diese wissenschaftlich begründet und von unabhängigen Dritten zertifiziert wurden. Die Richtlinie sieht einheitliche Anforderungen vor, beispielsweise eine klare Kennzeichnung, ob sich eine Aussage auf das gesamte Produkt oder nur auf einen Teil bezieht, und ob die Umweltaussage auf den gesamten Lebenszyklus des Produkts bezogen ist.
Auch Umweltkennzeichnungen sollen denselben strengen Vorgaben unterliegen und nur verwendet werden dürfen, wenn sie von einem angemeldeten Verifizierer zertifiziert wurden. Für Verstöße sieht der Vorschlag Bußgelder in Höhe von bis zu vier Prozent des jährlichen Unternehmensumsatzes vor, die von den Mitgliedstaaten verhängt werden können.
Europäisches Parlament
Das Europäische Parlament hat in seiner Position die Vorschläge der Europäischen Kommission deutlich verschärft. Beispielsweise sollen Unternehmen umfassendere Nachweise über die Recyclingfähigkeit und den Rezyklatanteil ihrer Produkte erbringen und diese Informationen den Verbrauchern transparent zur Verfügung stellen. Auch die Überwachung und Zulassung von Umweltkennzeichen soll intensiviert werden. Ziel ist es, die Vielzahl an Labels zu reduzieren, um Verwirrung bei Verbrauchern zu vermeiden.
Zudem fordert das Parlament eine stärkere Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Ein vereinfachtes Verfahren soll es KMUs ermöglichen, ihre Verpflichtungen kosteneffizient und ohne unnötige bürokratische Belastungen zu erfüllen, beispielsweise durch eine Konformitätsvermutung. Darüber hinaus schlagen die Europaabgeordneten die Einrichtung eines Konsultationsforums vor, in dem Vertreter der Mitgliedstaaten, der Industrie, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft in die Ausarbeitung der neuen Vorgaben durch die Europäische Kommission einbezogen werden.
Rat der Europäischen Union
Der Rat der Europäischen Union verabschiedete seine Position im Juni 2024. Im Vergleich zum Kommissionsvorschlag plädiert der Rat für größere Flexibilität, um unnötige Belastungen für Unternehmen zu vermeiden. So sollen Umweltaussagen, die auf von der Europäischen Kommission anerkannten Methoden beruhen, weniger strengen Anforderungen unterliegen. Unternehmen sollen auch Sekundärdaten zur Substantiierung ihrer Aussagen verwenden können, anstatt ausschließlich Primärdaten vorlegen zu müssen.
Bei der Lebenszyklusanalyse möchte der Rat außerdem einen pragmatischen Ansatz verfolgen, der es erlaubt, nicht relevante Aspekte des Produktlebenszyklus auszuklammern. Damit soll ein Ausgleich zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und wirtschaftlicher Praktikabilität geschaffen werden.
Aktuelle Entwicklungen
Nach den Europawahlen im Juni des vergangenen Jahres mussten sich die europäischen Institutionen neu konstituieren. Für das Europäische Parlament bedeutete dies unter anderem die Neuwahl des Umweltausschusses (ENVI) sowie des Binnenmarktausschusses (IMCO), die gemeinsam die Federführung für den Gesetzgebungsprozess bei der Green Claims Richtlinie innehaben. Im September 2024 wurden dann neue Berichterstatter – Delara Burkhardt (S&D, ENVI) und Sandro Gozi (Renew, IMCO) – gewählt, die die Verhandlungen für das Europäischen Parlament mit den anderen europäischen Institutionen führen.
Seit Anfang 2025 befinden sich die drei Verhandlungspartner, die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union, in den Trilogverhandlungen zur Green Claims Richtlinie. Es wird erwartet, dass der Gesetzgebungsprozess noch unter der polnischen Ratspräsidentschaft, also bis Ende Juni 2025, abgeschlossen wird. Sodann könnte die vorläufige Trilogeinigung von den EU-Organen bestätigt werden und im Anschluss daran im offiziellen Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden.
Die Mitgliedstaaten werden nach dem Inkrafttreten der Richtlinie voraussichtlich zwischen 24 und 36 Monaten Zeit haben, die neuen Vorgaben in nationales Recht umzusetzen.
Bewertung
Der BDE begrüßt den Fortschritt im Gesetzgebungsprozess und den Beginn der Trilogverhandlungen, da er die Green Claims Richtlinie als wichtigen Schritt zur Bekämpfung von Greenwashing und zur Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen sieht. Die verpflichtende wissenschaftliche Fundierung und unabhängige Zertifizierung von Umweltaussagen wertet der Verband als zentrale Maßnahmen, um Transparenz und Vertrauen bei Verbrauchern zu stärken.
Positiv hervorzuheben ist aus Sicht des BDE auch die Position des Europäischen Parlaments, den Recyclinganteil und die Recyclingfähigkeit von Produkten stärker in den Fokus zu rücken. Dies unterstützt die Ziele der Kreislaufwirtschaft und setzt wichtige Impulse für nachhaltigere Materialien und Prozesse.
Kritisch bewertet der BDE jedoch die von Parlament und Rat vorgeschlagenen Sonderregelungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), insbesondere die Einführung vereinfachter Verfahren, Konformitätsvermutungen und Ausnahmen bei der Lebenszyklusanalyse. Diese Regelungen bergen die Gefahr, dass ein einheitliches Level-Playing-Field für Unternehmen untergraben wird, was insbesondere größere Unternehmen benachteiligen könnte, die bereits umfassende Berichtspflichten erfüllen müssen. Darüber hinaus könnten solche Sonderregelungen das Ziel der Richtlinie – die Schaffung wissenschaftlich fundierter, glaubwürdiger und einheitlicher Umweltaussagen – schwächen, da unterschiedlich strenge Standards entstehen könnten.
Der BDE sieht hierin ein Risiko für die Glaubwürdigkeit der gesamten Richtlinie. Verbraucher erwarten klare und verlässliche Aussagen, die unabhängig von der Größe des Unternehmens dieselben Qualitätsanforderungen erfüllen. Eine zu großzügige Auslegung der Sonderregelungen könnte Zweifel an der Verlässlichkeit von Umweltaussagen wecken und das Vertrauen in die neuen Regelungen schmälern. Auch KMU können mit ihren Produkten eine große Präsenz auf dem Markt erlangen und mit ihren Umweltaussagen eine große Anzahl an Verbrauchern erreichen.
Zwar unterstützt der BDE den Ansatz, bürokratische Belastungen für KMU abzubauen, doch dürfen diese Bemühungen nicht auf Kosten der Zielsetzung der Richtlinie gehen. Es ist entscheidend, dass die Berichts- und Verifizierungspflichten so gestaltet werden, dass sie praktikabel und effizient sind, ohne Abstriche bei der Transparenz und Glaubwürdigkeit zu machen.
Zeitplan
• Trilogverhandlungen: zweite Verhandlungsrunde voraussichtlich am 24. April 2025. Abschluss voraussichtlich im zweiten Quartal 2025.
• Inkrafttreten der Richtlinie: 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU.
• Umsetzung in nationales Recht: zeitlicher Rahmen hängt vom Trilogergebnis ab, aber erwartet wird eine Umsetzungsfrist zwischen 24 und 36 Monaten.