JRC Bericht zum Green Deal

EU Green Deal „auf Kurs“ – JRC bewertet Fortschritt seit 2019

Zum 30. Januar 2025 hat das JRC unter dem Titel „Delivering the EU Green Deal“ eine 145-seitige Auswertung des Fortschritts der im European Green Deal etablierten Ziele zur Klimaneutralität 2050 veröffentlicht. Die Kreislaufwirtschaft kann dabei eine vergleichsweise positive Bilanz aufweisen.

 

Hintergrund
Nachdem der Green Deal nunmehr fünf Jahre „in Aktion“ ist, hat sich das JRC (gemeinsame Forschungstelle) zur Aufgabe gemacht, 154 Einzelaspekte der Agenda aus dem Zeitraum 2019-2024 zu untersuchen und zu evaluieren, welche Ziele erreicht wurden und wo eventuell ein Kurswechsel stattfinden muss. Dabei seien in 32 Bereichen die Vorgaben erreicht oder überschritten worden (21%), in 64 Bereichen müsse eine Beschleunigung erfolgen. Zu den restlichen Aspekten könne keine verlässliche Angabe gemacht werden oder es sei sogar ein umgekehrter Trend zu verzeichnen. Die Fortschritte im Bereich der Kreislaufwirtschaft fallen mit einer positiven Bilanz von 31% vergleichsweise gut aus.

Abfallvermeidung und Recycling
Die Bilanz für die Vermeidung von Verbraucherabfällen und Recycling ist im Ergebnis überdurchschnittlich positiv. Von den Zielen zur Reduzierung des Verbrauchs an Kunststofftaschen haben bereits 12 Mitgliedstaaten die Quoten bis Ende 2025 erreicht. Auch die Recyclingziele bis Ende 2025 sind bereits für folgende Stoffströme erzielt worden: Verpackungen aus Holz, Eisenmetalle, Aluminium, Glass sowie Holz und Pappe. Für das Recycling von Verpackungsabfällen generell, darunter auch und insbesondere Kunststoffe, wird das Ziel 2025 größtenteils nicht erreicht werden und bedarf einer Beschleunigung. Unter den Staaten, die dieses Ziel verpassen, befindet sich auch Österreich.

Die Bilanz in Bezug auf Altfahrzeuge ist ebenfalls sehr zufriedenstellend. So konnten die Mitgliedstaaten das Ziel zur Wiederverwertung von mindestens 30% der in Altfahrzeugen verbauten Kunststoffe übertreffen. Die verbauten Kunststoffe in der Produktion stammen zu mind. 25% aus Rezyklaten.

Insgesamt sind von 26 ausgewerteten Teilaspekten der Kreislaufwirtschaft 11 „auf Kurs“. In 13 Teilbereichen muss die Europäische Kommission die Anstrengungen in den kommenden Jahren intensivieren, was einen Verbesserungsbedarf von 37% ausmacht, wenn man diejenigen Bereiche hinzurechnet, für die keine ausreichenden Daten verfügbar sind. Das ist im Vergleich mit anderen Wirtschaftsfeldern eine durchaus positive Bilanz. Im Bereich der Energiepolitik konnten bislang beispielsweise nur 7 von 34 Zielen erreicht werden.

Zu erwähnen ist jedoch, dass die Sammlung von Siedlungsabfällen sowie die gesetzgeberische Anstrengung, die Wiederverwendungsquoten von Abfällen insgesamt bis zum nächsten Jahrzehnt zu verdoppeln, eine Negativbilanz aufweisen.

EU Industrial Strategy und Circular Economy Action Plan
Bei der politischen Betrachtung hat das JRC den Fokus insbesondere auf die Industriestrategie sowie den Aktionsplan Kreislaufwirtschaft gelegt.

Die Industriestrategie der EU wurde 2020, gerade zu Beginn der COVID-19 Pandemie, veröffentlicht und im Mai 2021 an die Folgen der Pandemie angepasst. Sie soll die Transformation zu einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft beschleunigen und den europäischen Binnenmarkt unabhängiger von Drittstaaten machen.

Besondere Maßnahmen sind insbesondere erforderlich im Bereich der kritischen Rohstoffe. 100% aller seltenen Erden kommen aktuell aus China, 99% der Borimporte aus der Türkei – beides Rohstoffe, die für die Herstellung von Turbinen oder Elektromotoren benötigt werden. Unter dem neuen Aktionsplan Kreislaufwirtschaft wurden erhebliche Investitionen in die Produktion von Batterien, insbesondere aus Sekundärrohstoffen, getätigt, sodass bis Ende 2025 70% der Nachfrage aus der EU selbst bedient werden können. Es ist zu erwarten, dass unter dem Entwurf zur Altfahrzeugverordnung von 2023  eine ähnliche Entwicklung für den gesamten Automobilsektor erfolgen wird (siehe Artikel in diesem Europaspiegel).

Besondere Herausforderungen liegen zudem in der Reduzierung von Verpackungsabfällen sowie im Textil- und Baustoffsektor.

Bis 2040 wird sich der Verbrauch an Kunststoffen voraussichtlich verdoppeln, während die Masse an pro-Kopf-Abfällen 2021 bereits bei 188,7 kg jährlich lag. Darüber hinaus wurden im Jahre 2019 insgesamt 12,6 Mio Tonnen Textilien und 59 Mio Tonnen Lebensmittel entsorgt. Wichtige Gesetzesinitiativen, wie z.B. die Revision der Verpackungsrichtlinie 94/62/EG oder die Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien sollen den längeren Lebenszyklus von Produkten fördern.

Im Baustoffsektor fallen 40% aller Abfälle an, er trägt mit 5 – 12% zu den gesamten Treibhausgasemissionen der EU bei. Eine Verbesserung der Rohstoffeffizienz kann hier dabei helfen, diese Emissionen um bis zu 80% zu reduzieren.

Ein wesentlicher Faktor, der den Transformationsprozess hin zu einer funktionsfähigen Kreislaufwirtschaft ausbremst, sind dem JRC zu Folge institutionelle Schwierigkeiten in den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung europäischer Vorgaben. Zudem gebe es zwischen den Staaten unterschiedliche Schwerpunkte in diesem Bereich: einige nähmen das Thema Abfallbehandlung in den Fokus, während andere den politischen Schwerpunkt beim Thema Konsum setzten. Dies führe zu unterschiedlichen Fortschritten in den einzelnen Bereichen. Der Fokus der Europäischen Kommission müsse auf einem einheitlichen Überwachungsprozess liegen. Die Überarbeitung des Überwachungsrahmens für die Kreislaufwirtschaft im Jahre 2023 sei dabei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Bewertung
Der BDE teilt die Einschätzung des JRC, dass unterschiedliche Schwerpunkte in der nationalen Kreislaufwirtschaftspolitik den Umsetzungsprozess ausbremsen. Die Transformation zu einem zirkulären Wirtschaftsmodell muss europäisch gedacht werden, nicht zuletzt da die spezifischen Voraussetzungen und Anforderungen in den Mitgliedstaaten unterschiedlich sind. Es bedarf daher eines einheitlichen Rahmens, welcher aber auch die besonderen Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigt.

Dass der Fortschritt auf dem Bereich des Kunststoffrecyclings nur „gelb“ zeigt, ist zu bedauern. Die technischen Voraussetzungen für mehr Effizienz liegen grundsätzlich vor. Aufgabe des Gesetzgebers ist es daher, die Nachfrage an Rezyklaten auf dem Markt zu fördern, insbesondere durch feste Einsatzquoten und einen effektiven Schutz vor „Billigrezyklaten“ aus Drittstaaten.

Dass die Prognose im Bereich der Siedlungsabfälle „rot“ zeigt, ist nicht verwunderlich. Bereits 2020 sprach sich der Verband für die Verankerung eines Deponieverbots für unbehandelte Siedlungsabfälle im europäischen Recht aus. In einigen Mitgliedstaaten liegt die Deponierungsquote immer noch bei über 50%. Wenn die Kommission hier nicht entschieden handelt, werden die Ziele auch über das Jahr 2030 hinaus eine Negativbilanz aufweisen.

 

Download BDE/VOEB Europaspiegel Februar 2025

Europareferent für Abfall- und Umweltrecht

Yannick Müller

Europareferent für Abfall- und Umweltrecht