Hintergrung
Im September 2024 stellte Ursula von der Leyen, die wiedergewählte Kommissionpräsidentin, das Kollegium der Kommissare sowie ihren Plan für die Legislaturperiode 2024-2029 vor. Beide wurden im Laufe der folgenden Monate von den europäischen Institutionen bestätigt, sodass die neue Europäische Kommission planmäßig am 1. Dezember 2024 ihre Arbeit aufnehmen konnte.
In der aktuellen Legislaturperiode werden insbesondere folgende Exekutiv-Vizepräsidenten und Kommissare für die Kreislaufwirtschaft eine zentrale Rolle spielen:
Bereits im September 2024 skizzierte die Kommissionspräsidentin ihre politischen Prioritäten. Seitdem folgten mehrere detaillierte Strategie- und Gesetzesvorhaben, darunter der Wettbewerbskompass (siehe Artikel in diesem Europaspiegel), der Ende Januar 2025 vorgestellt wurde, die Mitteilung zum Clean Industrial Deal (siehe Artikel in diesem Europaspiegel) und die Vorstellung des Omnibus-Paketes zum Bürokratieabbau (siehe Artikel in diesem Europaspiegel), beide vom 26. Februar 2025.
Neben diesen umfassenden Strategien haben sowohl die einzelnen Kommissare als auch die Europäische Kommission insgesamt klare politische Zusagen für die neue Legislaturperiode gemacht. Mit der Veröffentlichung des Arbeitsprogramms für 2025 wurden nun die konkreten Maßnahmen für das laufende Jahr festgelegt.
Wesentlicher Inhalt
Versprechen der Kommissare
Während der Anhörungen zur Bestätigung der Kommissare mussten sich die Kandidaten den Fragen des Europäischen Parlaments stellen und ihre politischen Schwerpunkte erläutern. Für den Bereich der Kreislaufwirtschaft und Umwelt haben die zuständigen Kommissare folgende zentrale Versprechen gemacht:
Jessika Roswall kündigte an, sich auf die Reduzierung von Kunststoffabfällen und den Aufbau eines funktionierenden Marktes für Sekundärrohstoffe zu konzentrieren. Sie plant Maßnahmen zur Stärkung der Nachfrage nach Recyclingmaterialien und will Investitionen in die Wasserinfrastruktur fördern.
Teresa Ribera betonte die Kreislaufwirtschaft als zentrales Element der Green Deal Umsetzung und zur Reduktion von CO2-Emissionen. Sie will eng mit den Mitgliedstaaten und der Wirtschaft zusammenarbeiten, um identifizierte Reformbedarfe anzugehen.
Stéphane Séjourné sieht den Bürokratieabbau als entscheidenden Hebel zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen. Er plant die Einführung eines „Competitiveness Coordination Tool“, das gleiche Rahmenbedingungen für Unternehmen in der EU schaffen soll.
Wopke Hoekstra kündigte an, die Abfallwirtschaft ab 2028 in das EU-Emissionshandelssystem (ETS) zu integrieren. Zudem will er Anreize für die Produktion von „grünem Stahl“ schaffen und den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) als internationales Modell weiterentwickeln.
Dan Jørgensen plant eine enge Zusammenarbeit mit Jessika Roswall, insbesondere im Rahmen des „Europäischen Bauhauses“. Zudem sollen die Berichtspflichten für Unternehmen, insbesondere für KMU, um bis zu 35% reduziert werden.
Arbeitsprogramm 2025
Mit ihrem Arbeitsprogramm für 2025 hat die Europäische Kommission die politischen Schwerpunkte und gesetzgeberischen Vorhaben für das kommende Jahr konkretisiert. Die zentralen Themen sind Kreislaufwirtschaft, Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Bürokratieabbau. Insgesamt plant die Kommission 46 neue Gesetzesinitiativen sowie 31 Evaluierungen und „Fitness-Checks“ bestehender Regelungen. Zudem sollen 37 Gesetzesvorhaben zurückgezogen werden – allerdings ohne Auswirkungen auf die Bereiche Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft.
Ein besonderer Fokus liegt auf der Überarbeitung bestehender Nachhaltigkeitsvorschriften. So sollen die Taxonomieverordnung und das EU-Lieferkettengesetz angepasst sowie Berichtspflichten gezielt reduziert werden, um Unternehmen zu entlasten. Parallel dazu entwickelt die Europäische Kommission eine neue Binnenmarktstrategie, die Investitionen erleichtern und regulatorische Hürden abbauen soll. Zusätzlich ist die Einführung einer präziseren Definition für „Mid-Caps“ – Unternehmen, die größer als KMU, aber kleiner als Großunternehmen sind – geplant, um ihre bürokratische Belastung zu reduzieren.
Auch der Klimaschutz nimmt weiterhin eine zentrale Rolle ein. Das EU-Klimagesetz soll überarbeitet werden, mit dem Ziel, die Emissionen bis 2040 um 90% zu senken. Der Clean Industrial Deal wird weiter vorangetrieben, einschließlich Anpassungen der Beihilferegeln, des Chemikalienpakets und der REACH-Revision. Im Bereich der digitalen Transformation wird ein Digitalpaket entwickelt, das neue regulatorische Vorgaben enthalten könnte. Zudem sollen nachhaltige Mobilitätslösungen durch gezielte Investitionen in umweltfreundliche Verkehrssysteme und alternative Kraftstoffe gefördert werden.
Ein weiteres wichtiges Vorhaben ist die Strategie für die Biowirtschaft, die eine ressourcenschonendere Nutzung biologischer Materialien fördern soll. Ziel ist es, Kreislaufprozesse effizienter zu gestalten und die nachhaltige Produktion von Lebensmitteln, Materialien, Energie und Dienstleistungen zu unterstützen. Ergänzend dazu soll die gezielte Überarbeitung der REACH-Verordnung den Umgang mit Chemikalien weiter regulieren und an neue wissenschaftliche Erkenntnisse anpassen.
Mit diesen Maßnahmen verfolgt die Europäische Kommission das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu stärken, nachhaltige Wirtschaftsmodelle zu fördern und regulatorische Prozesse effizienter zu gestalten. Dabei soll eine Balance zwischen ökologischer Transformation und wirtschaftlicher Entlastung gewährleistet bleiben.
Bewertung
Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2025 setzt klare Schwerpunkte auf Bürokratieabbau, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit – Themen, die grundsätzlich positive Auswirkungen auf die Kreislaufwirtschaft haben können. Besonders begrüßenswert sind die geplante Reduzierung der Berichtspflichten, die Überarbeitung von Nachhaltigkeitsvorschriften und die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen durch eine Binnenmarktstrategie.
Allerdings fehlen entscheidende Schutzmaßnahmen für die Recyclingbranche. Weder die wachsende Gefahr durch Batteriebrände in Recyclinganlagen noch der zunehmende Wettbewerbsdruck durch Importe von billigen oder gar falsch deklarierten Kunststoffrezyklaten aus Drittstaaten oder die schwierige Situation im Textilrecycling finden im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission ausreichende Berücksichtigung. Diese Lücken gefährden nicht nur einzelne Unternehmen, sondern auch den Fortschritt der Kreislaufwirtschaft – in einer Phase, in der die EU unabhängiger von Rohstoffimporten aus Drittstaaten werden will.
Zudem bleibt abzuwarten, welche konkreten Maßnahmen die Europäische Kommission letztlich vorschlagen wird. Entscheidend wird sein, ob und in welchem Umfang in den kommenden Monaten Regelungen erarbeitet werden, die tatsächlich zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft beitragen und dringend notwendige Schutzmechanismen für die Recyclingbranche enthalten.
Zeitplan