Neufassung der Kommunalabwasserrichtlinie

Die Neufassung der Kommunalabwasserrichtlinie ist seit dem 1. Januar in Kraft

Nachdem bereits am 29. Januar 2024 eine vorläufige Einigung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union sowie der Europäischen Kommission über die Revision der Kommunalabwasserrichtlinie getroffen wurde (siehe Europaspiegel Februar 2024) dauerte es aufgrund der notwendigen formellen Bestätigung durch Rat und Parlament sowie der anschließenden sprachjuristischen Prüfung durch das Parlament mehrere Monate, bis die überarbeitete Richtlinie am 12. Dezember 2024 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde. Seit dem 1. Januar 2025 ist sie nun in Kraft und muss bis spätestens zum 31. Juli 2027 in das nationale Recht der EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

 

Hintergrung
Die Kommunalabwasserrichtlinie bildet das EU-weite Rahmenwerk für die umweltgerechte Behandlung von kommunalem Abwasser. Mit Blick auf die Vorgaben des EU Green Deal dient die Überarbeitung der Richtlinie dem Ziel, die menschliche Gesundheit, die Umwelt und das Klima noch effektiver vor negativen Auswirkungen von schadstoffbelastetem Abwasser zu schützen. Vor diesem Hintergrund betreffen die Kernpunkte der Revision die Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung sowie einer schrittweisen Energieneutralität im Bereich der Abwasserbehandlung. Darüber hinaus widmet sich die Richtlinie auch dem für die Branche sehr wichtigen Thema des Phosphorrecyclings.

Wesentliche Inhalte
Strengere Regeln für die stufenweise Abwasserbehandlung
Die überarbeitete Richtlinie verschärft die Regeln zur verpflichtenden Abwasserbehandlung. Zunächst wird die Verpflichtung zur Zweitbehandlung von kommunalem Abwasser vor dessen Einleitung in die Umwelt – d.h. zur Entfernung organisch-biologisch abbaubarer Stoffe gem. Art. 2, Nr. 12 – bis spätestens zum 31. Dezember 2035 auf alle Gemeinden ab einem Einwohnerwert von 1.000 ausgeweitet. Der Einwohnerwert (EW) gibt gemäß Art. 2 Abs. 10 der Kommunalabwasserrichtlinie die Anzahl der Einwohner an, die im Einzugsgebiet einer Kläranlage leben. Es ist der in der Wasserwirtschaft gebräuchliche Vergleichswert für die in Abwässern enthaltenen Schmutzfrachten, mit dem sich die Belastung einer Kläranlage abschätzen lässt. Ausnahmen von der verpflichtenden Zweitbehandlung gelten für neuere EU-Mitgliedstaaten (Rumänien, Bulgarien und Kroatien), die innerhalb kurzer Zeit bereits umfassende Investitionen in die Umsetzung der (ehemaligen) Kommunalabwasserrichtlinie tätigen mussten, sodass ihnen für die Umsetzung der neuen Vorschriften ein Zeitraum von maximal 14 Jahren gewährt wird.

Auch die Regeln zur Drittbehandlung gemäß Art. 7, nämlich der Behandlung kommunalen Abwassers mittels eines Verfahrens, mit dem der Stickstoff- und Phosphoranteil verringert wird (Art. 2, Nr. 13), wurden verschärft. Wie an mehreren Stellen der überarbeiteten Richtlinie – etwa auch hinsichtlich der schrittweise einzuführenden Energieneutralität – wird hier ein Stufensystem eingeführt: so müssen bis Ende 2033 30% aller Abwasserbehandlungsanlagen mit einem Einwohnerwert über 150.000 eine Drittbehandlung durchführen und bis Ende 2036 70%. Schließlich sollen bis Ende 2039 alle Anlagen mit einem Einwohnerwert über 150.000 eine Drittbehandlung gemäß den Anforderungen der Kommunalabwasserrichtlinie durchführen.

Die zentrale Neuerung im Hinblick auf die Abwasserbehandlung betrifft die Einführung einer vierten Reinigungsstufe (Art. 8). Unter der Viertbehandlung versteht man die Behandlung kommunalen Abwassers durch ein Verfahren, mit dem ein breites Spektrum an Mikroschadstoffen verringert wird (Art. 2, Nr. 14). Erneut ist hierbei eine Staffelung vorgesehen: 20% der Kläranlagen mit einem Einwohnerwert über 150.000 sollen bis Ende 2033 eine Viertbehandlung gemäß der Kommunalabwasserrichtlinie einführen. Bis Ende 2039 soll dieser Prozentsatz auf 60% ansteigen und schließlich müssen bis Ende 2045 alle Abwasserbehandlungsanlagen mit einem Einwohnerwert über 150.000 die Vorgaben zur Viertbehandlung erfüllen.

Hinzu kommen Vorgaben für Gebiete ab einem Einwohnerwert von 10.000, in denen die Verschmutzung des Abwassers mit Mikroschadstoffen als Risiko für die menschliche Gesundheit und der Umwelt erachtet wird. Die EU-Mitgliedstaaten haben bis zum 31. Dezember 2030 eine Liste aller Gebiete innerhalb ihres Hoheitsgebietes zu erstellen, für die eine national durchzuführende Risikobewertung zu dem Ergebnis kommt, dass ein Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt besteht. Diese Liste ist sodann bis 2033 und nachfolgend alle sechs Jahre zu evaluieren. Sämtliche in diese Liste aufgenommenen Gebiete müssen eine vierte Reinigungsstufe einführen.

Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung im Abwasserrecht
Die durch diese vierte Behandlungsstufe zusätzlich entstehenden Kosten sollen im Rahmen einer erweiterten Herstellerverantwortung den Herstellern von Arzneimitteln und Kosmetika zu einem Anteil von mindestens 80% auferlegt werden (Art. 9 Abs. 1). Hierbei wird den EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ein Spielraum gewährt: ihnen steht es offen, in welcher genauen Höhe (ab mindestens 80%) die Kostenübernahme seitens der Hersteller für die Einführung der 4. Reinigungsstufe angesetzt wird. Demzufolge könnte auf nationaler Ebene eine über 80% hinausgehende Herstellerfinanzierung eingeführt werden. Die von Herstellerseite im Wege der erweiterten Herstellerverantwortung zu tragenden Kosten umfassen mindestens 80% sämtlicher für die Einführung der Viertbehandlung entstehenden Kosten, einschließlich der Investitionen und Betriebskosten für die Viertbehandlung zur Entfernung von Mikroschadstoffen, die sich aufgrund der von ihnen in Verkehr gebrachten Produkte und deren Rückständen im kommunalen Abwasser befinden.

Darüber hinaus sollen die Hersteller auch die Kosten für die Erhebung und Überprüfung von Daten über in Verkehr gebrachte Produkte sowie alle sonstigen Kosten tragen, die im Rahmen der Wahrnehmung ihrer erweiterten Herstellerverantwortung anfallen. Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie müssen die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Hersteller ihre aus der erweiterten Herstellerverantwortung entstammenden Pflichten im Rahmen einer Organisation wahrnehmen. Die Möglichkeit einer individuellen Erfüllung der erweiterten Herstellerverantwortung, wie sie etwa der Kommissionsvorschlag für eine Altfahrzeugverordnung vorsieht, existiert für den Bereich der Kommunalabwasserbehandlung demnach nicht. In diesem Zusammenhang werden die EU-Mitgliedstaaten zudem verpflichtet, einen klar definierten Zuständigkeitsbereich für die Organisationen der erweiterten Herstellerverantwortung festzulegen und sicherzustellen, dass diese Organisationen über die notwendigen finanziellen und organisatorischen Mittel verfügen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Schrittweise Einführung einer Energieneutralität im Abwasserrecht
Darüber hinaus führt die überarbeitete Richtlinie schrittweise eine verbindliche Energieneutralität für Abwasserbehandlungsanlagen ein. Demnach sollen sich Abwasserbehandlungsanlagen ab einem Einwohnerwert von mindestens 10.000 bis spätestens Ende 2045 mit durch sie selbst erzeugte erneuerbare Energie versorgen. Auch hier sieht die Richtlinie ein abgestuftes System mit Zwischenzielen vor: bis Ende 2030 soll zunächst eine Eigenversorgung mit erneuerbarer Energie in Höhe von 20% erfolgen, bis Ende 2035 dann in Höhe von 40%. Dieser Prozentsatz soll bis Ende 2040 nochmals auf 70% ansteigen und bis Ende 2045 soll dann eine volle Energieneutralität für Kläranlagen mit einem Einwohnerwert von mindestens 10.000 erfolgen.

Von dieser Pflicht zur Energieneutralität bis spätestens 2045 sieht die Richtlinie schließlich eine Ausnahmemöglichkeit vor: sofern ein EU-Mitgliedstaat nachweist, dass bis 2045 keine Energieneutralität erreicht werden konnte, obwohl alle möglichen Energieeffizienzmaßnahmen und Maßnahmen zur Steigerung der Erzeugung von erneuerbarer Energie getroffen wurden, so kann ausnahmsweise der Erwerb von erneuerbarer Energie aus externen Quellen gestattet werden. Dieser Erwerb ist jedoch auf einen Anteil von höchstens 35% im Verhältnis zu dem Gesamtenergieverbrauch begrenzt. Zudem gilt diese Ausnahmemöglichkeit nur für das abschließende Ziel der Energieneutralität bis Ende 2045, nicht jedoch für die Zwischenziele.

Wiederverwendung und Recycling von Phosphor aus Klärschlamm
Schließlich enthält die überarbeitete Kommunalabwasserrichtlinie auch neue Regeln zu der Wiederverwendung und dem Recycling von Phosphor aus Klärschlamm. Gemäß Art. 20 Abs. 1 sollen sich die EU-Mitgliedstaaten für die Rückgewinnung wertvoller Ressourcen einsetzen und hierbei die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Klärschlammbewirtschaftung der Abfallhierarchie gemäß Art. 4 der Abfallrahmenrichtlinie entspricht. Die Klärschlammbewirtschaftung soll darauf ausgerichtet sein, die Abfallvermeidung zu maximieren sowie die Wiederverwendung, das Recycling und die anderweitige Rückgewinnung von Ressourcen, insbesondere Phosphor und Stickstoff, vorzubereiten. Hierbei sollen nationale und lokale Optionen der Verwertung berücksichtigt und die schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit minimiert werden.

Zusätzlich wird der Europäischen Kommission die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte zur Ergänzung dieser Richtlinie durch Festlegung einer kombinierten Mindestquote für die Wiederverwendung und das Recycling von Phosphor aus Klärschlamm und aus kommunalem Abwasser zu erlassen. Hierbei soll die Europäische Kommission verfügbare Technologien und Ressourcen sowie die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Rückgewinnung von Phosphor berücksichtigen. Diese delegierten Rechtsakte sollen bis spätestens zum 2. Januar 2028 erlassen werden.

Bewertung
Der BDE begrüßt insgesamt die überarbeitete Kommunalabwasserrichtlinie. Die verpflichtende Einführung einer vierten Behandlungsstufe im Abwasserrecht und insbesondere die Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung sind als großer Erfolg zu werten. Kosten der Viertbehandlung können so verursachergerecht getragen werden. Diesbezüglich bestand teilweise sehr großer Widerspruch und zahlreiche im Europäischen Parlament eingebrachte Änderungsanträge zielten auf die Rückgängigmachung der verpflichtenden Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung ab. Dabei handelt es sich bei der Einführung der erweiterten Herstellerverantwortung im Abwasserrecht gerade um die notwendige Umsetzung des Verursacherprinzips. Nach dem Verursacherprinzip – auf dem gemäß Art. 191 Abs. 2, Satz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) die Umweltpolitik der EU unter anderem beruht – sollen gerade nur die Verursacher von Umweltbeeinträchtigungen für deren Beseitigung und die dafür entstehenden Kosten aufkommen müssen. Bei diesen Verursachern handelt es sich um die Hersteller bzw. die Inverkehrbringer von Produkten und Substanzen, die zu den Schadstoffen im Abwasser führen, sodass diese auch die bei der Beseitigung dieser Schadstoffe entstehenden Kosten tragen müssen. Mittelfristig ist es aus Verbandssicht sinnvoll, Hersteller weiterer ökotoxikologischer Substanzen, z.B. in Pestiziden, in ein System der Herstellerverantwortung zu integrieren.

Bei der Umsetzung dieser Richtlinie wird es nun darum gehen, eine möglichst vollständige Kostentragungspflicht der Hersteller durchzusetzen. Der Richtlinientext lässt dies zu, indem er vorsieht, dass die von Herstellerseite im Wege der erweiterten Herstellerverantwortung zu tragenden Kosten mindestens 80% sämtlicher für die Einführung der Viertbehandlung entstehenden Kosten umfassen müssen. Eine Verpflichtung zur vollständigen Kostentragung bereits im Richtlinientext wäre vorteilhaft gewesen. Zumindest besteht die Möglichkeit der nationalen Festlegung einer umfassenden Kostentragung im Wege des im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie gewährten Umsetzungsspielraums.

Auch die strengeren Regeln zur Abwasserbehandlung sind insgesamt zu begrüßen. Es ist notwendig, die Abwasserbehandlung europaweit voranzutreiben und zu verbessern. Die Neuregelungen schaffen hier ein gut umsetzbares System, das die Interessen der jüngeren EU-Mitgliedstaaten berücksichtigt und durch die Einführung mehrerer Stufen für die Ausweitung der Abwasserbehandlung hinreichend Zeit sowie Planungssicherheit für die Umsetzung gewährt.

Im Hinblick auf die schrittweise einzuführende Energieneutralität ist der finale Richtlinientext in jedem Falle vorzugswürdig im Vergleich zum Kommissionsvorschlag. Letzterer hatte eine Energieneutralität für Kläranlagen ab einem Einwohnerwert von 10.000 bereits für Ende 2040 vorgesehen. Im Richtlinientext wurde diese Frist auf Ende 2045 verschoben. Die Regeln für die Energieautarkie sind jedoch weiterhin streng. Insbesondere wurde nicht hinreichend berücksichtigt, dass eine solche Energieautarkie für kleinere Anlagen sehr schwierig zu erreichen sein wird, allen voran vor dem Hintergrund, dass Sinn und Zweck von Kläranlagen die Abwasserbehandlung ist und nicht die Produktion erneuerbarer Energie. Des Weiteren kommt erschwerend hinzu, dass sich der Energiebedarf der Anlagen infolge der strengeren Vorgaben zur Reinigung der Abwässer der neugefassten Kommunalabwasserrichtlinie noch weiter erhöhen wird.

Zwar ist erfreulich, dass von dieser Pflicht zur Energieneutralität bis spätestens 2045 abgewichen werden kann. Die Richtlinie sieht nämlich eine Ausnahmemöglichkeit vor, für den Fall, dass trotz Ergreifung aller möglichen Energieeffizienzmaßnahmen und Maßnahmen zur Steigerung der Erzeugung von erneuerbarer Energie eine vollständige Energieneutralität nicht möglich ist. Diese Ausnahmemöglichkeit gilt jedoch lediglich für das finale Ziel der Energieauatarkie bis spätestens Ende 2045. Auch für die zu erreichenden Zwischenziele wären Ausnahmemöglichkeiten wünschenswert gewesen.

Demgegenüber ist hingegen erfreulich, dass die Richtlinie die Verstärkung des Phosphorrecyclings aus Klärschlamm ausdrücklich in den Blick nimmt, indem bis zum 2. Januar 2028 eine kombinierte Mindestquote für die Wiederverwendung und das Recycling von Phosphor aus Klärschlamm und aus kommunalem Abwasser festzusetzen ist. Es wäre vorzugswürdig gewesen, eine solche Quote in der Richtlinie selbst zu regeln und nicht der Europäischen Kommission die Befugnis zu übertragen, diese mittels  delegierter Rechtsakte festzusetzen. Dennoch ist insgesamt begrüßenswert, dass Art. 20 der Richtlinie das klare Ziel verfolgt, die Wiederverwendung und das Recycling des strategischen Rohstoffs Phosphor voranzutreiben.

   

Zeitplan
Die neugefasste Kommunalabwasserrichtlinie ist seit dem 1. Januar 2025 in Kraft.
Bis spätestens zum 31. Juli 2027 wird sie in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Der Wortlaut der Rechtsvorschriften, durch die die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wird, ist der Europäischen Kommission seitens der Mitgliedstaaten unverzüglich mitzuteilen.

   

Download BDE/VOEB Europaspiegel Februar 2025

Michael Iordache

Legal Advisor, Europareferent - Wettbewerb, Binnenmarkt, Steuern und Abfallverbringung