Neue EU-Legislaturperiode 2024-2029

Konstituierung der Europäischen Kommission

Nach den Europawahlen im Juni 2024 befindet sich das Exekutivorgan der Europäischen Union, die Europäische Kommission, in der Phase der Konstituierung.


Hintergrund
Die Europäische Kommission spielt eine zentrale Rolle innerhalb der EU und hat das alleinige Initiativrecht für Gesetzesvorschläge. Sie agiert ähnlich wie die Regierung im deutschen System, wird alle fünf Jahre neu gebildet und setzt sich aus 27 Vertretern, jeweils einer pro Mitgliedstaat, als Kollegium der Kommissare zusammen. Die parteipolitische und thematische Zusammensetzung des Kollegiums hängt von der Mehrheit im Europäischen Parlament, der Zusammensetzung des Rats der Mitgliedstaaten und dem gewählten Kommissionspräsidenten ab.

Nach den Europawahlen Anfang Juni 2024 ist die Europäische Kommission derzeit dabei, sich zu konstituieren. Im ersten Schritt hierfür wurde Ursula von der Leyen für ein zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin vom Rat vorgeschlagen und von den Europaabgeordneten bestätigt.


Kommissionspräsidentschaft
Ursula von der Leyen wurde von der Europäischen Volkspartei (EVP) als Spitzenkandidatin für die Europawahlen 2024 nominiert und erhielt breite Unterstützung, was zu ihrer Bestätigung als Präsidentin der Europäischen Kommission im Juli 2024 führte. In ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament und in ihren Prioritäten (siehe Artikel im Europaspiegel Oktober 2024) betonte sie die Absicht, den Green Deal vollständig umzusetzen und durch einen neuen Clean Industrial Deal (CID) zu erweitern, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu fördern. Ein zentrales Element ihrer Agenda ist die Einführung eines neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes zur Stärkung des Marktes für Sekundärrohstoffe und zur Verbesserung des Binnenmarkts für Abfälle. Zudem sollen saubere und bezahlbare Energie für die Bürger und die Wirtschaft garantiert werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Bürokratieabbau und der Schaffung verbesserter Investitionsstrukturen zur Unterstützung nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklungen. Weitere Details zu den konkreten Maßnahmen werden in den künftigen Monaten ausgestaltet; der BDE hat allerdings seine Forderungen bereits umfänglich publiziert (siehe Artikel im Europaspiegel Oktober 2024) .

Nach der Rede Ursula von der Leyens im Parlament äußerten sich die Vorsitzenden der Fraktionen und nationalen Delegationen. Während EVP, S&D, Renew, die Grünen und die EKR von der Leyens politische Prioritäten grundsätzlich unterstützten, lehnten die Linke, die Patrioten und die ESN ihre Vorhaben ab.

Nach der Bestätigung von Ursula von der Leyen durch den Rat und das Europäische Parlament steht ihr nun die Aufgabe bevor, das Kollegium der Kommissare zusammenzustellen, das ebenfalls von den Institutionen bestätigt werden muss.


Kollegium der Kommissare
Jeder Mitgliedstaat nominiert einen oder mehrere Kandidaten für das Kollegium der Kommissare. Diese Kandidaten wurden von der Kommissionpräsidentin interviewt und erhalten, sollten sie ausgewählt werden, einen Arbeits- oder Themenbereich. Anfang September stellte von der Leyen die folgende Konstellation vor:

Commissioners_2024_2029

Anders als bei der von 2019 bis 2024 amtierenden Kommission mit acht Vizepräsidenten und drei Exekutiv-Vizepräsidenten, hat sich Ursula von der Leyen nun dafür entschieden, dass es sechs Exekutiv-Vizepräsidenten geben wird und 20 reguläre Kommissare, die den Exekutiv-Vizepräsidenten zugeordnet werden. Für die Kreislaufwirtschaft und die Entsorgungsbranche sind drei Kommissionsmitglieder von besonderer Bedeutung: die Schwedin Jessika Roswall als Kommissarin für Umwelt, Wassersicherheit und eine wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft, der Franzose Stéphane Séjourné als Exekutiv-Vizepräsident für Wohlstand und Industriestrategie und die Spanierin Teresea Ribera als Exekutiv-Vizepräsidentin für einen sauberen, fairer und wettbewerbsfähiger Wandel. Alle drei Kommissionsmitglieder werden direkt und indirekt die Themen Umwelt, Industriepolitik und Wettbewerbsfähigkeit abdecken und werden in weiten Teilen auch gemeinsam Projekte wie z. B. den Clean Industrial Deal und das Kreislaufwirtschaftsgesetz betreuen. Darüber hinaus wurde Exekutiv-Vizepräsidentin Teresa Ribera ausdrücklich mit der Umsetzung des Green Deals betraut.

Neben Roswall, Séjourné und Ribera werden voraussichtlich auch Wopke Hoekstra (Niederlande), als Kommissar für Klima, Net-Zero und sauberes Wachstum sowie Dan Jørgensen (Dänemark), als Kommissarin für Energie und Wohnungswesen und Valdis Dombrovskis (Lettland) als Kommissar für Wirtschaft und Produktivität sowie Implementierung und Vereinfachung wichtige Rollen für die Kreislaufwirtschaft spielen. Alle drei Bereiche, Bürokratieabbau, Binnenmarkt und Energiepolitik, sind aus Sicht des BDE wichtig für die Verwirklichung einer umfassenden Kreislaufwirtschaft. Beispielsweise muss es eine einheitliche Bepreisung von Emissionen aus der Abfallbehandlung geben, ein Level-Playing-Field für Sekundärrohstoffe mit den Primärrohstoffen geschaffen werden, etwa durch eine Anpassung der Leitlinien für Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfen (KUEBLL), damit auch Recyclingunternehmen von staatlichen Beihilfen in Form von Ermäßigungen für Abgaben auf Strom profitieren können. Zudem muss die Recyclinginfrastruktur in der EU vor Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu Rezyklaten aus Drittstaaten geschützt werden, z. B.  durch Nachhaltigkeitsanforderungen und -nachweise an bzw. für Rezyklate aus Drittstaaten.

Nach der Vorstellung des Kollegiums durch Ursula von der Leyen am Dienstag, den 17. September 2024, wurde die Überprüfung durch die Europaabgeordneten eingeleitet. Hierbei muss sich jeder nominierte Kommissar Anhörungen in den korrespondierenden Ausschüssen des Europäischen Parlaments stellen sowie schriftliche Fragen beantworten. Die Ausschüsse haben an dieser Stelle die Macht, einzelne Kommissare zurückzuweisen. Sollte dieser Fall eintreten, muss der Kandidat vom betroffenen Mitgliedstaat ersetzt werden. Vor fünf Jahren scheiterten drei Kommissare am Europäischen Parlament und auch dieses Mal werden Konflikte erwartet – insbesondere, weil sich die Mitgliedstaaten geweigert haben, ausreichend weibliche Kommissare zu nominieren, worum Ursula von der Leyen die Mitgliedstaaten gebeten hatte, um Geschlechterparität im Kommisarskollegium zu ermöglichen. Abzuwarten bleibt, ob die Abgeordneten und Ausschussmitglieder auf einer paritätischen Besetzung der Europäischen Kommission bestehen werden; nach dem Rechtsruck im Europäischen Parlament erscheint es jedoch zweifelhaft, dass dieser Aspekt im Fokus stehen wird.

Der Abschluss des Verfahrens wird im November erwartet und die neue Legislaturperiode könnte somit offiziell zum 01. Dezember 2024 beginnen.

 

Zeitplan
• Konstituierung des Kollegiums der Kommissare: 2. Halbjahr 2024.
• Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission: Ende des 2. Halbjahres 2024.
• Amtsantritt der neuen Europäischen Kommission: 01. Dezember 2024.
   

 

Download BDE/VOEB Europaspiegel Oktober 2024

Marlena Mazura

Europareferentin für Abfall-, Umwelt- und Energiepolitik